Die Persona-Analyse des Sozial-Klimarat: Deutsche Haushalte und ihre Anpassungsfähigkeit in der Klimatransformation

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden. Das geht nur mit einer Politik, die die Lebensrealität der Menschen im Fokus hat. Denn gut gemachte Klimapolitik und soziale Gerechtigkeit dürfen keine Gegensätze sein – im Gegenteil: Das eine geht nur mit dem anderen.

Doch was heißt das konkret? Wie sehen die Lebensrealitäten aus, die bei politischen Maßnahmen berücksichtigt werden müssen? Die Antwort liefert die Persona-Analyse des Sozial-Klimarats.

Was leistet die Persona-Analyse?

Die Persona-Analyse zeichnet ein realitätsnahes Bild der Lebenslage von Haushalten in Deutschland in der Klimatransformation. Zahlreiche Datenpunkte werden dafür in 16 fiktiven Haushaltsprofilen zusammengefasst. Diese „Personas“ repräsentieren typische Konstellationen, aus denen sich relevante politische Handlungsbedarfe ableiten lassen. Zur besseren Strukturierung wird jede Gruppe in Bezug auf ihre Anpassungsfähigkeit in fünf Kategorien von sehr gut bis sehr schlecht eingeordnet.

Grundlage ist ein umfassender mikrogeografischer Datensatz von infas360, der für alle Wohngebäude in Deutschland Informationen zu Einkommen, Alter, Energieträger, Heiztechnik, Gebäudetypen und vielen weiteren Daten enthält. Die Personas basieren auf einer regelbasierten Segmentierung nach fünf zentralen Merkmalen: Energieträger, Eigentumsverhältnis, Einkommen, Gebäudeform und Baujahr des Gebäudes. Bezogen auf diese Merkmale sind die Gruppen homogen, was eine Regionalisierung bis auf die Ebene einzelner Siedlungsblöcke ermöglicht.

Wissenslücken in der Wärmeplanung schließen

Städte und Gemeinden stehen bei der kommunalen Wärmeplanung vor einer zentralen Herausforderung: Während technische Wärmebedarfsdaten und Gebäudekartierungen verfügbar sind, fehlen oft die entscheidenden Informationen über die Menschen in den Gebäuden. Wer lebt dort? Welche finanziellen Möglichkeiten haben die Haushalte? Und wo drohen soziale Verwerfungen bei der Umstellung auf klimaneutrale Heizsysteme?

Klassische Wärmeplanungen schauen primär auf Gebäude und Energiebedarfe – sozioökonomische Faktoren bleiben außen vor. Die mikrogeografischen Personas des Sozial-Klimarats schließen diese Lücke: Sie ordnen jeden der rund 42 Millionen Haushalte in Deutschland einer von 16 Kategorien zu und ermöglichen damit einen Blick in die Gebäude hinein.

Anwendung in der Planungspraxis

Die Persona-Daten lassen sich als Layer in gängige GIS-Systeme einbinden und mit bestehenden Fachdaten verknüpfen. Planer erhalten so auf einen Blick:

  • Quartiere mit hoher sozialer Vulnerabilität
  • Struktur der Entscheider (Wohnungsgesellschaften oder private Vermieter)
  • Sanierungsbedarfe in Quartieren
  • Koordinationsbedarfe (Wohnungseigentümergemeinschaften, Reihenhaussiedlungen)

Jede Persona kommt mit spezifischen Planungsherausforderungen und Lösungsansätzen. Beispielsweise zeigen „Städter mit Fernwärme“ bestehende Fernwärme-Quartiere auf – ähnliche Strukturen eignen sich für Netzausbau. „Wohlhabende Eigentümer in älteren Häusern“ sind die Zielgruppe, die vermutlich bald auf eine Wärmepumpe umsteigt. Bei der „Generation Reihenhaus“ und „Eigentumswohnungsbesitzern“ bestehen Koordinationsprobleme durch gemeinschaftliche Abstimmungsbedarfe – hier bieten sich Nahwärmenetze oder Quartiersansätze an.

Risikofrüherkennung und strategische Planung

Die Personas ermöglichen es, problematische Bereiche bereits in der Konzeptphase der Wärmeplanung zu identifizieren. Ein hoher Anteil „prekärer Eigentümer“ deutet auf erhöhten Förderbedarf und längere Umsetzungszeiten hin. Viele „Mieter bei privaten Vermietern“ erfordern eine Klärung der Umsetzungsfähigkeit und Investitionsbereitschaft der diversen Eigentümer. Cluster von „Mietern außerhalb des Blickfeldes“ machen soziale Begleitmaßnahmen erforderlich.

Besonders relevant sind die mikrogeografischen Daten für Prüfgebiete, in denen keine finale Entscheidung zwischen netzgebundener und dezentraler Versorgung getroffen wurde. Hier können die Persona-Daten helfen, komplexe Entscheidungsstrukturen zu identifizieren und die planerische Bewertung zu vertiefen.

Ausblick

Die Entwicklung der Personas ist auch mit der aktuellen Version nicht abgeschlossen. Der Hochlauf von Wärmepumpen, E-Autos und Fernwärme läuft. All das verändert das Lagebild laufend. Die Personas des Sozial-Klimarats sind deshalb ein dynamisches Instrument, das regelmäßig aktualisiert werden wird. Mehr Informationen zur aktuellen Version und der methodischen Herleitung finden sich in der Präsentation.